Im weithin landwirtschaftlich geprägten

Ostwestfalen-Lippe bildete sich seit dem 19. Jahrhundert eine vielfältige Nahrungsund Genussmittelwirtschaft aus, die von Brauereien, Brennereien, Großbäckereien, Fleischwarenfabriken, Keks- und Schokoladenfabriken und der Tabakindustrie geprägt war.

Als Basis dienten ihr zunächst die Erzeugnisse der heimischen Landwirtschaft: Getreide für Brennereien, Brauereien, Nudelfabriken und Bäckereien, Rüben für die Zuckerindustrie und Kartoffeln für die Stärkefabriken. Zusätzlich benötigte Mengen und andere „Grundstoffe“ wie Reis für Reisstärke und Tabak für Zigarren gelangten auf dem Bahn- und Wasserweg zu den verarbeitenden Betrieben.


In der Region um Gütersloh

Halle und Steinhagen existierten traditionell viele Brennereien, die aus Roggen und dem Wacholder der nahegelegenen Senneland- schaft Branntwein herstellten. Die Brennerei Schlichte in Steinhagen verhalf dem „Steinhäger“ ab 1821 zu seiner überregionalen Bedeutung.

Die ebenfalls in Steinhagen gegründete und seit 1841 in Gütersloh ansässige Firma König produzierte seit 1873 den „Schinkenhäger“ in charakteristischen Tonkrügen. Daneben existierten in Ostwestfalen zahlreiche weitere größere und kleinere Brennereien.

Modernisierung und Ausbau der Produktionsstätten bestimmten die Entwicklung des Brauwesens. Unter den Brauereien waren vor allem jene erfolgreich, die ihren Bierverkauf in Gastwirtschaften und Ladengeschäften durch gezielte Werbemaßnahmen förderten.

In Lübbecke gründete Ernst Johann Barre 1842 mit der Barre’schen Dampfbrauerei eine der ersten Pilsbrauereien in Deutschland, in Detmold nahm die Brauerei Hüppe (später Strate) 1863 die Bierproduktion auf. Die größte Brauerei des Landes Lippe war die 1872 gegründete Aktien-Bierbrauerei Falkenkrug in Detmold.


Mit der Brauerei Felsenkeller

entstand 1867 in Herford ein Betrieb, dessen Herforder Pilsener seit 1900 vertrieben wird. Sogar eine weltbekannte Getränkespezialität stammt ursprünglich aus Lippe. Ab 1903 produzierte die spätere Sinalco AG in Detmold ein Erfrischungsgetränk auf Fruchtsaftbasis, das schon wenige Jahre später in vielen Ländern der Erde getrunken wurde.

Zum größten Nahrungsmittelhersteller in Ostwestfalen entwickelte sich die Firma des Apothekers Dr. August Oetker in Bielefeld. Mit den seit 1893

verkauften, ersten portionierten Backpulvertütchen begann die Entwicklung vieler Back- und Haushaltshilfen aus dem Hause Dr. Oetker, deren Erfolg durch die moderne Werbung des Hauses gefördert wurde.

Daneben existierten kleinere Betriebe wie die 1878 von Gottfried Niemöller gegründete Gütersloher Fabrik zur Herstellung von Stärke und Puddingpulver und eine benachbarte Nudelfabrik. Keks und Schokoladenfabriken hatten ihren Schwerpunkt in Herford, wo es 1884 elf dieser Firmen gab.


Auch Zucker wurde in Ostwestfalen raffiniert

Rund 100 Landwirte gründeten 1883 in Lage die spätere Lippe- Weser Zucker AG und verpflichteten sich, für deren Produktion ausreichende Mengen Zuckerrüben anzubauen. Weitere Zuckerfabriken etablierten sich im Kreis Minden, in Vlotho, Brakel und Warburg. Bis in das 18. Jahrhundert zurück reicht die Gründung von Tabakfabriken im damaligen Minden-Ravensberg. Im 19. Jahrhundert wurde Ostwestfalen zu einer der größten Zigarrenregionen in Deutschland.

Heute ist Ostwestfalen-Lippe immer noch ein Zentrum der deutschen Nahrungsmittelproduktion. Die Brauereien Herforder, Barre und Strate, die Saft- und Marmeladenfabriken, Süßwarenproduzenten, die Wurst- und Fleischprodukte aus Gütersloh und dem Raum Versmold sowie die Produkte der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG stehen für diese lange Tradition.