Die Ansiedlung der Möbelindustrie

wurde durch den Niedergangdes Leinen- und Garnhausgewerbes gefördert: Es standen billige Arbeitskräfte zur Verfügung, da viele Arbeiter ihr Einkommen mit einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbshof ergänzen konnten. Weil in den ländlichen Regionen andere konkurrierende Industrien fehlten, blieben die Löhne niedrig.

Aus den hiesigen Waldbeständen, vor allem aber auch aus anderen Regionen – zunächst über die Weser, später auch über den Bahnweg angeliefert –, stammte das notwendige Holz. Die zunehmende Verstädterung und die steigenden Einkommen im Deutschen Reich veränderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Einrichtungsgewohnheiten der Menschen.


Um diesen neuen Bedarf

in den Ballungsräumen zu decken, erweiterten viele Tischlereien ihre Produktionsstätten und gingen schließlich zur Serienfertigung von Möbeln mit arbeitsteiliger Herstellung über. Der Ausbau der Transportwege, wie z. B. des Eisenbahnnetzes, ermöglichte die Auslieferung des neuen Massenguts Möbel in ganz Deutschland.

Überall in der Region entstanden Fabriken, die sich auf die Produktion von Holzwerkstoffen, Küchenmöbeln und anderen Einrichtungsgegenständen konzentrierten. Eines der ersten Unternehmen dieser Art war in den 1890er-Jahren die Möbelfabrik Kopka in Herford, die aus einer Holzhandlung hervorging.

Aus der 1893 ebenfalls in Herford gegründeten Bautischlerei Heinrich Monke entwickelte sich in den folgenden Jahren die Möbelfabrik Herz-Küchen, die sich wie viele Firmen im heutigen Kreis Herford auf die Küchenmöbelproduktion spezialisierte. Anders als die Herforder Fabriken, die in ihrer Anfangszeit vor allem Möbel für die Arbeiterschicht in Serie fertigten, stellten die Steinheimer Möbelwerke im Kreis Höxter teure Stilmöbel für das gehobene Bürgertum her.

Auch hier wuchsen kleine ortsansässige Tischlereien zu Fabriken, in denen Maschinenkraft dazu beitrug, die Handarbeit zu rationalisieren. Zu den ersten bedeutenden Unternehmern zählte Anton Spilker, der 1864 die väterliche Tischlerei übernahm und zur Fabrik ausbaute.


Im lippischen Blomberg

erlangten besonders die Stuhlproduktion und die Sperrholzherstellung große Bedeutung. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden hier überregional erfolgreiche Stuhlfabriken wie Eduard Krone (1880). Anfang des 20. Jahrhunderts kamen weitere hinzu.

Neue Holzwerkstoffe ermöglichten die massenhafte Stuhlherstellung. Die Blomberger Holzindustrie Bernhard Hausmann KG, die aus einer Dampfsägerei und Dampfbiegerei entstand, installierte als erste Firma in Lippe eine Holzschälmaschine und konnte so Endlosfurnier herstellen.

Dieses Material war notwendig, um Sperrholzplatten zu fertigen. Aus diesen Halbfertigprodukten stellte die Firma Stuhlsitze und -lehnen her, die an die Stuhlfabriken geliefert wurden. Später bekam Sperrholz auf dem gesamten Möbelsektor eine große Bedeutung.

In Detmold gründeten ebenfalls vor allem Holzhandwerker und Holztechniker Möbelfabriken. Eines der bekanntesten Unternehmen waren die 2002 in Insolvenz gegangenen Omnia-Möbelwerke Ernst Hilker. Die Firma fertigte seit 1900 hochwertige Eichenmöbel. Der Tischlermeister Gustav Bergmann produzierte seit 1903 in Lage  Massivholzmöbel. Das Unternehmen, das 1991 Insolvenz anmelden musste, beschäftigte zeitweise bis zu 900 Mitarbeiter.

Seit 1893 konnten sich Tischlergesellen in Detmold weiterbilden und neben praktischem Unterricht Kurse in theoretischen Fächern belegen. Die Tischlerfachschule vermittelte das Wissen für die Werkmeister und Techniker der neuen Industriezweige. Die Zahl der Fabriken in der Möbelindustrie ist seit den 1970er-Jahren zurückgegangen. Doch auch heute noch ist Ostwestfalen- Lippe eine der wichtigsten Regionen dieser Branche in Deutschland, in der zahlreiche überregional bedeutende Unternehmen ihren Sitz haben.